#Mordermittlung #Tatortarbeit #Obduktion
Nachdem die Streifenpolizei bei einer aufgefundenen Leiche Fremdverschulden festgestellt hat, rücken die Beamten der #Kriminalpolizei mitsamt den Beamten vom #Erkennungsdienst an, die für die #Spurensicherung zuständig sind. Die #Spusi ist übrigens der VORGANG zur Sicherung der Spuren, NICHT die Bezeichnung für die Beamten des #Erkennungsdienstes.Hinweis: In den meisten Städten sind #Erkennungsdienst und #KTU (#Kriminaltechnische_Untersuchung) dieselbe Abteilung. Nur in großen Städten und Dienststellen (z. B. bei den Landeskriminalämtern) sind es manchmal zwei verschiedene Abteilungen.
Der #Tatort wird abgesperrt (soweit er sich im Freien befindet) und minutiös untersucht und dokumentiert. Das #Absperrband ist in Deutschland immer rot-weiß.Beispiel: Der gesamte Inhalt eines Schreibtischs wird akribisch aufgelistet, und zwar welche Papiere darauf lagen (1 Rechnung von/an Fa. XY vom Soundsovielten, 1 E-Mail-Ausdruck von X an Y von Datum und Uhrzeit, 2 grüne Notizzettel mit Aufschrift XX, YY …), wie viele (oder gar keine) Zigarettenstummel im Aschenbecher lagen, und sogar scheinbar bedeutungslose Papierfetzen werden nicht nur fotografiert (und jedes in eine GESONDERTE #Beweismitteltüte eingetütet), sondern auch schriftlich beschrieben. Die Bearbeitung eines #Tatorts dauert in der Regel MEHRERE TAGE, bis sie abgeschlossen ist. Die Zahl der #Asservate beträgt in der Regel (teilweise weit) über 100.
Noch am #Tatort wird die Leiche VOLLSTÄNDIG AUSGEZOGEN, um zu sehen, wo unter der Kleidung evt. Wunden oder andere Auffälligkeiten zu sehen sind. (Bei einem #Tatort im Freien geschieht das unter einem Zelt, u. a. um den Schaulustigen die Sicht zu versperren.) Aus dieser Untersuchung leitet sich evtl. ab, wonach man am #Tatort besonders zu suchen hat (z. B. Messer oder Patronenhülsen oder bei Anzeichen von Vergiftung eine Spritze etc.).Hinweis: Der #RECHTSMEDIZINER ist in der Regel NICHT am #Tatort (entgegen dem, was man im Fernsehen als Regel sieht), sondern wird nur in Fällen hinzugezogen, wenn die Kripobeamten nicht in der Lage sind, aus dem vorgefundenen Szenario eindeutig zu entscheiden, ob es sich um #Fremdeinwirkung oder #Selbstmord handelt. Das ist aber relativ selten der Fall. Der #Leichnam wird übrigens erst abtransportiert, wenn die vorläufige #Todesursache geklärt ist, was in der Regel mehrere Stunden dauert.
Die KLEIDUNG der Beamten vom #Erkennungsdienst besteht IMMER aus einem #Ganzkörperanzug aus weißem Plastik mit Kapuze, die immer aufgesetzt werden muss, und Plastiküberzügen für die Schuhe, um eine #Spurenkontamination des #Tatorts zu vermeiden. Ein ebensolches Muss ist das Tragen von #Einweghandschuhen. Das gilt auch für die Ermittlungsbeamten der Kripo, wenn sie sich den #Tatort vor Ort ansehen. Kein realer Beamter würde das jemals vergessen. Und falls doch, gibt es eine Horde von Kollegen, die ihn abfängt, bevor er nackt oder halbnackt den #Tatort betritt. Nach jedem Besuch eines #Tatorts wird diese #Einwegkleidung entsorgt, da bei einer Zweitbenutzung (auch wenn es sich um denselben #Tatort handelt) eine #Spurenübertragung stattfinden kann.
Nachdem der #Erkennungsdienst alle #Spuren gesichtet, gesichert und eingetütet hat, kommen die zur Auswertung zur #KTU (#Kriminaltechnische_Untersuchung), die die Spuren akribisch untersucht, und zwar jede einzelne, egal wie unbedeutend sie zu sein scheint. Natürlich beginnt man mit denen, die am Vielversprechendsten aussehen. Aber auch wenn die bereits den Täter überführen, werden trotzdem noch alle anderen ebenfalls untersucht. Wegen der langen Dauer der Arbeit am #Tatort und der mindestens noch mal so lange dauernden Auswertung, liegt in der Realität ein (vorläufiges!) #Ergebnis kaum vor Ablauf einer Woche vor. Meistens dauert es länger.
#Tatorte in Gebäuden werden mit einem #polizeilichen_Siegel verschlossen. Ein solches Siegel aufzubrechen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern eine Straftat nach § 136 StGB, die mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe geahndet wird. Nur die Polizei darf ein #Siegel entfernen oder in Ausnahmefällen dies Nichtbeamten gestatten.
Die Auswertung der #Spuren wird minutiös dokumentiert und ermöglicht zusammen mit den restlichen Ermittlungen eine #Rekonstruktion der Tat. Dadurch gibt es Hinweise auf den #Täter bzw. #Beweise, die einem bereits #Verdächtigten eine #Tat zweifelsfrei nachweisen oder ihn als #Täter ausschließen. Zwar ist die Technik in den letzten Jahren enorm fortgeschritten, aber die technischen Spielereien, die man z. B. bei CSI zu sehen bekommt, sind (noch lange) nicht die Regel. Solche Apparate findet man gegenwärtig nur beim #BKA (#Bundeskriminalamt) und einigen #LKAs (#Landeskriminalämtern).#Fingerabdrücke werden allerdings fast überall inzwischen per Scanner erfasst.Nebenbei: nur die #DNA-Spur eines Verdächtigen am #Tatort ist noch lange kein Grund, ihn zu verhaften, denn es gibt Dutzende von Möglichkeiten, wie die völlig harmlos zustande gekommen sein kann.Beispiel: Ein Mensch kippt sich versehentlich Kaffee über die Jacke, ein anderer reicht ihm ein Taschentuch zum Abwischen, hat sich aber irgendwann vorher mit eben diesem Taschentuch den Schweiß von der Stirn gewischt und schon hängt dessen DNA an der Jacke. Ein Pärchen küsst sich auf die Wange (oder sonst wo hin), und schon klebt die DNA von jedem am jeweils anderen.Hinweis: #DNA_Analysen dauern mindestens 12 Stunden, sofern genug DNA-Material vorhanden ist (z. B. eine #Blutlache). Bei weniger Material (z. B. nur ein einziges Haar) muss die #DNA erst aufwändig geklont werden, ehe genug davon vorhanden ist, um sie analysieren zu können. In solchen Fällen dauert die Analyse mindestens 24 Stunden, evt. länger.
Definition: Die Leute, die die #Mordopfer obduzieren, sind #RECHTSMEDIZINER, keine #Pathologen. Das sind zwei völlig verschiedene Berufe mit unterschiedlichen Facharztausbildungen. (In den schlecht recherchierten Krimis sind es nahezu immer Pathologen und findet die #Obduktion in der #Pathologie statt.) Der gravierendste Unterschied: #Pathologen überprüfen #Todesfälle, die infolge von #Krankheiten eingetreten sind. Deshalb ist ihr Arbeitsplatz das Krankenhaus. Sie brauchen für eine #Obduktion das #Einverständnis der Angehörigen des Verstorbenen. Der #Rechtsmediziner ist für die durch #Gewaltverbrechen zu Tode gekommenen Opfer zuständig. Die von ihm vorgenommenen #Obduktionen werden von der #Staatsanwaltschaft oder einem #Richter angeordnet. Ein #Einverständnis der Angehörigen ist nicht erforderlich und es kann und wird die #Obduktion auch gegen deren strikten Willen durchgeführt. (Allein schon deshalb, weil so mancher Angehörige keineswegs unschuldig an besagtem #Todesfall ist.)Übrigens: #Obduktion, #Autopsie und #Sektion sind dasselbe. #Obduktion ist der gebräuchlichste dieser Ausdrücke.
Wer mehr über die reale Arbeit der #Rechtsmediziner wissen will, dem empfehle ich das Buch "Dem Tod auf der Spur" von Michael Tsokos. Nach der Lektüre sind keine Fragen mehr offen. Dafür lacht man dann nur noch schallend über den #Obduktions-Blödsinn in Buch und Film.
Quelle:Mara Laue: „Mordermittlung Fiktion und Realität / Ein kleiner Einblick in die reale Polizeiarbeit / Teil 2: Tatortarbeit und Obduktion“, unter: https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/mythen-aamp-wirklichkeiten-mainmenu-288/verbrechen-mainmenu-292/7666-mordermittlung-fiktion-und-realitt-teil-2-tatortarbeit-und-obduktion (abgerufen am 29.12.2020).