Definition:Ein der Polizei gemeldeter Leichenfund wird erst einmal wertneutral als Todesfall bzw. Leichenfund behandelt und auch so bezeichnet. Stellt sich heraus, dass Fremdverschulden vorliegt, wird der Todesfall zum Tötungsdelikt, wobei immer noch offenbleibt, ob es sich um einen vom Täter schuldhaft verursachten Unfall, Körperverletzung mit Todesfolge, Totschlag oder tatsächlich #Mord handelt.
Der Fall wird erst dann zum #Mordfall, wenn aufgrund der #Spurenlage (oder Zeugenaussagen oder eines Geständnises) mit größter Wahrscheinlichkeit vom Vorsatz des Täters ausgegangen werden kann.
Irgendwann nach der Tat wird der Tote von jemandem gefunden, der/die dann die #Bereitschaftspolizei über Rufnummer 110 über den Leichenfund informiert. Die Polizei bittet den Finder, vor Ort auf deren Eintreffen zu warten. Danach rückt ein Streifenwagen mit in der Regel (mindestens) 2 Beamten aus und nimmt den #Tatort in Augenschein. Dabei wird zunächst nur festgestellt, ob es sich, soweit auf den ersten Blick erkennbar, um einen Unfall, einen #Selbstmord oder Fremdeinwirkung handelt. Ist Letzteres der Fall, wird das zuständige Kriminalkommissariat verständigt.Hinweis: Dieses Kommissariat hat von Ort zu Ort bzw. Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Bezeichnungen z. B. Fachkommissariat 1, kurz FK 1 (Niedersachen), Kriminalkommissariat 11, kurz KK 11 (NRW) oder Dezernat 11 (Sachsen). Diese Abteilungen ermitteln aber keinesfalls nur bei #Mord. Dieses Verbrechen kommt so häufig nun doch nicht vor. Sie ermitteln auch z.B. bei #Entführungen, #Brandermittlungen, #Bandenkriminalität, #Vermisstensachen, #Sexualdelikten, #Kindesmisshandlungen u. a.
Geschieht der #Leichenfund in der Nacht, wird der zuständige Ermittler angefordert, der Bereitschaftsdienst hat. Der KDD = #Kriminaldauerdienst, der für die Nachtschicht zuständig ist, existiert nur in relativ wenigen Großstädten. An allen anderen Orten sind Beamte des #Bereitschaftsdienstes eingeteilt, die nach Dienstschluss über Telefon abrufbar sind.
Steht fest, dass es sich um #Mord handelt, wird eine #Mordkommission kurz Moko gegründet, die aus Beamten verschiedener Abteilungen besteht. Je nachdem welchen mutmaßlichen oder offensichtlichen Hintergrund die Tat hat, werden auch Beamte aus anderen Abteilungen (Raub, organisierte Kriminalität etc.) einbezogen. Ein Pressesprecher nimmt an den zweimal täglich stattfindenden Dienstbesprechungen teil.
Eine #Mordkommission besteht immer aus einem relativ großen Stab. Wie viele Beamte eingesetzt werden, hängt vom Fall ab (in jedem Fall liegt die Anzahl der Ermittler im zweistelligen Bereich). Ein erfahrener Ermittler wird (in der Regel vom Dienststellenleiter) zum Leiter der Moko ernannt. Dieser stellt den Rest des Ermittlungsteams zusammen. Jedes Teammitglied kann weitere Teammitglieder vorschlagen.Eine ständige #Mordkommission in immer derselben Besetzung gibt es in Deutschland nicht. Für jeden Einzelfall wird eine eigene Moko gebildet. Darin kommen zwar ab und zu immer wieder dieselben Kollegen zusammen, aber die Gesamtbesetzung wechselt. Auch ist der Moko-Leiter nicht immer derselbe.Hinweis: Eine Soko ist eine #Sonderkommission, die ausschließlich für besondere Fälle (z. B. Entführungen) oder für alle mit einem bestimmten Fallkomplex zusammenhängenden Fällen gebildet und nach dem Abschluss dieses Falles/Fallkomplexes wieder aufgelöst wird. Sie ist personell erheblich größer als eine Moko und besteht manchmal aus den Mokos verschiedener Städte.
Nach dem Fund der Leiche (s. Teil 2: #Tatortarbeit und Obduktion) werden die Zeugen befragt. #Augenzeugen werden zunächst vor Ort befragt (die Unterzeichnung eines entsprechenden Protokolls erfolgt dann später im Präsidium). Geschah der #Mord in einer Wohngegend und gibt es keine Augenzeugen, wird eine Haus-zu-Haus-Befragung durchgeführt. Dabei befragen viele Beamte sämtliche Anwohner/Nachbarn.Sind genügend Beweise zusammengetragen, erfolgt eine Vernehmung und evtl. Festnahe (s. Teil 3: Vernehmung, Festnahme und Hausdurchsuchung).Der #Staatsanwalt entscheidet dann über die Anklageerhebung.
Ermittlungen (nicht nur bei #Mord) werden grundsätzlich im Team geführt.
Die #Ermittlungen bzw. die spätere Beweisführung läuft nach den #6_W (Wer hat Was, Wann, Wie, Warum und Womit getan) ab (evt. auch noch mit wem). Der mutmaßliche #Täter muss sowohl die #Gelegenheit als auch das #Motiv zur Tat gehabt haben und muss #in_der_Lage gewesen sein, die Tat zu begehen.Er muss also zur Tatzeit vor Ort gewesen sein (können), einen handfesten Grund für die Tat haben, und er muss von seinen #Kenntnissen, #Lebensumständen, #Zugangsmöglichkeiten zum Tatwerkzeug und seiner körperlichen Konstitution her in der Lage gewesen sein, die Tat zu begehen. Nur eins dieser Dinge reicht für eine Beschuldigung bzw. Festnahme nicht aus. Nur "Motiv und kein Alibi" ist zwar ein Grund für einen #Anfangsverdacht, rechtfertig aber noch keine Festnahme.Hinweis zur #Festnahme:Bei einer Festnahme werden dem Festgenommenen grundsätzlich #Handschellen (Hände über dem Rücken) angelegt. Eine Festnahme kann und darf jederzeit auch ohne Haftbefehl erfolgen, wenn ein begründeter Verdacht auf Täterschaft vorliegt und/oder Gefahr im Verzug ist.Beispiel: Ein Beamter befragt einen bis dahin nicht verdächtigen Nachbarn eines #Mordopfers und sieht in dessen Wohnung zufällig ein Indiz für die mögliche Täterschaft. Dann kann er mit Berufung auf "Gefahr im Verzug" den Verdächtigen sofort festnehmen.
Die Ermittler setzen sich in der Regel zweimal täglich (morgens und nachmittags/abends) zur #Dienstbesprechung zusammen, in der sie sich über den aktuellen Stand der bisherigen #Ermittlungen austauschen. In der Zeit dazwischen trägt jeder Ermittler seine Erkenntnisse in die Datenbank der Dienststelle ein. Damit kann jeder Ermittler jederzeit den aktuellen Stand des Falls abrufen.
Herrin des gesamten Ermittlungsverfahrens ist die #Staatsanwaltschaft. Die Beamten der Moko sind nichts anderes als "Erfüllungsgehilfen der Staatsanwaltschaft".Der zuständige #Staatsanwalt kann auch die Ermittlungsrichtung vorgeben und damit bestimmen, gegen wen ermittelt wird und gegen wen nicht (mehr). Er/sie wird ständig über den Stand der Ermittlungen auf dem Laufenden gehalten. In einigen Städten ist es üblich, dass er sogar bei den Dienstbesprechungen anwesend ist.
Ist der Täter gefasst, endet die Arbeit der Moko noch nicht.In den folgenden Wochen wird überprüft, ob wirklich alle Beweise zwingend auf den mutmaßlichen #Mörder hinweisen oder ob noch andere Personen infrage kommen könnten. (Schon manch Verdächtiger hat aus Angst oder um jemanden zu decken ein falsches Geständnis abgelegt.)Handelt es sich bei dem #Mord z.B. nicht um eine #Beziehungstat, wird das Schema des Mordes auch mit anderen Taten bundesweit abgeglichen. Damit soll eine evtl. #Serientat überprüft werden.Ist die Beweiskette dann lückenlos, wird sie schriftlich und bildlich so aufgearbeitet, dass sie für den Richter logisch nachvollziehbar ist. Es dürfen keine Fragen offenbleiben. Diese Aufbereitung dauert (je nach Fall) ca. 2-4 Wochen.
Anmerkung: Bei einer #Mordermittlung beträgt die Arbeitszeit jedes einzelnen Mitglieds der #Mordkommission 12-16 Stunden TÄGLICH und das an 7 Tagen in der Woche. #Urlaube, #Geburtstagsfeiern etc. sind vorläufig gestrichen. #Hochzeitstermine müssen NICHT verschoben werden (die Hochzeitsreise schon).
Quelle:Mara Laue: „Mordermittlung Fiktion und Realität / Ein kleiner Einblick in die reale Polizeiarbeit / Teil 1: Der Ablauf einer Mordermittlung“, unter: https://www.zauberspiegel-online.de/index.php/mythen-aamp-wirklichkeiten-mainmenu-288/verbrechen-mainmenu-292/7665-mordermittlung-fiktion-und-realitt-teil-1-der-ablauf-einer-mordermittlung (abgerufen am 29.12.2020).